Editorial AGORA 2022 05

Dieses Heft ist dem akuten Ausbruch völlig irrationaler Russophobie gewidmet, die ohne systematische, poli­tisch­-mediale Indoktrination der westlichen Bevölkerung nicht vorstellbar ist. Wir erleben und erleiden gegenwärtig, wie dieses verbrecherische, chaotische Treiben im Begriff ist, ganz Europa in Armut und Not zu stürzen, und wie sich das Gesicht der Welt in eine Richtung zu verändern beginnt, in der es kein Europa, kein Deutschland gibt, das zusammen mit Russland einen Fortschritt der Menschheitsentwick­lung, wie sie Rudolf Steiner einmalig vorlebte und vorzeich­nete, bewirken könnte. Oder zumindest eine solche Zu­kunft für Jahrhunderte in weite Ferne treibt. Russland ver­bündet sich gegenwärtig mit China, Asien, Indien und dem Rest der nicht westlichen Welt.
Was gegenwärtig geschieht, läßt sich durch das Prisma des Notizbucheintrages Rudolf Steiners, den ich diesem Heft als ein Memento voranstellen möchte, erschreckend klar verstehen. Da der Russenhass engstens mit den Ereig­nissen in der Ukraine (vgl. AGORA 202­2-2) zusammenhängt, sei dieser Satz besonders hervorgehoben: Der Krieg wird deshalb so lange in irgendeiner Form dauern, bis Deutschtum und Slawentum sich zu dem gemeinsamen Ziel der Menschen‐Befreiung vom Joche des Westens zusammengefunden haben. – Die Aufgabe der Anthroposo­phen ist klar. Doch dazu R. Steiner ebenfalls auf einem Notizbuchblatt: «Es kommt darauf an, dass man nicht wartet, bis ein Eintreten für bestimmte Ziele von außen herausgefordert wird, sondern dass man spontan Ziele aufstellt, denn das Erste erweckt Misstrauen, das Zweite begründete Vertrauen und würde in diesem letzten Augenblicke noch etwas wirken können, was es vielleicht bald nicht mehr kann.» – Wir kön­nen heute beobachten, wer «spontan Ziele aufstellte» und was für welche! und schmerzlich müssen wir erleben, wer es versäumt hat! Eine wirklichkeitsgemäße Beurteilung der jetzigen Lage wäre ohne geisteswissenschaftliche Anschau­ungen, die wir Rudolf Steiner verdanken, nicht vorstellbar.

Ein einziges Beispiel für praktizierten Russenhass möchte ich hier anführen, um ins Bewusstsein zu rufen, mit was für Kräften wir es zu tun haben: In der Ukraine versammeln sich seit langer Zeit gelegentlich Menschenmengen auf öf­fentlichen Plätzen und beginnen wie wild zu hüpfen und zu skandieren: «Wer nicht hüpft, ist ein Moskal!» (1) . (Abschät­ziges Wort für Russe). Und hasserfüllt verwünschen sie, grausamste gewalttätige Inhalte skandierend, ihre slawi­schen Brüder, die Russen. Es ist die ganz «normale», soge­nannt erwachsene Bevölkerung, die sich zu solchen schwarzmagischen Praktiken hinreißen läßt.

Iris‐Astrid Seiler

(1) Das einzige Video, das jetzt noch zu finden ist (es gab etliche): Youtube Video

Was steht sich in diesem Kriege gegenüber und um was wird er geführt?
Tonangebend ist eine Gruppe von Menschen, welche die Erde beherrschen wollen mit den Mitteln der beweglichen kapitalistischen Wirtschaftsimpulse. Zu ihnen gehören alle diejenigen Menschenkreise, welche diese Gruppe imstande ist, durch Wirtschaftsmittel zu binden und zu organisieren. Das Wesentliche ist, dass diese Gruppe weiß, in dem Bereich des russischen Territoriums liegt eine im Sinne der Zukunft unorganisierte Menschenansammlung, die den Keim einer sozialistischen Organisation in sich trägt. Diesen sozialistischen Keim‐Impuls unter den Machtbereich der antisozialen Gruppe zu bringen, ist das wohlberechnete Ziel. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn von Mitteleuropa mit Verständnis eine Vereinigung gesucht wird mit dem östlichen Keim‐Impuls. Nur weil jene Gruppe innerhalb der anglo‐amerikanischen Welt zu finden ist, ist als untergeordnetes Moment die jetzige [1917] Mächtekonstellation entstanden, welche alle wirklichen Gegensätze und Interessen verdeckt. Sie verdeckt vor allem die wahre Tatsache, dass um den russischen Kulturkeim zwischen den anglo‐amerikanischen Pluto‐Autokraten und dem mitteleuropäischen Volke gekämpft wird. In dem Augenblicke, in dem von Mittel‐Europa diese Tatsache der Welt enthüllt wird, wird eine unwahre Konstellation durch eine wahre ersetzt. Der Krieg wird deshalb so lange in irgendeiner Form dauern, bis Deutschtum und Slawentum sich zu dem gemeinsamen Ziel der Menschen‐Befreiung vom Joche des Westens zusammengefunden haben.
Es gibt nur die Alternative: Entweder man entlarvt die Lüge, mit der der Westen arbeiten muss, wenn er reüssieren will, man sagt: Die Macher der anglo‐amerikanischen Sache sind die Träger einer Strömung, die ihre Wurzeln in den Impulsen hat, die vor der Französischen Revolution liegen und in der Realisierung einer Welt‐Herrschaft mit Kapitalistenmitteln bestehe, die sich nur der Revolutions‐Impulse als Phrase bedient, um sich dahinter zu verstecken; oder man tritt an eine okkulte Gruppe innerhalb der anglo‐amerikanischen Welt die Welt‐Herrschaft ab, bis aus dem geknechteten deutsch‐slawischen Gebiet durch zukünftige Ströme von
Blut das wahre geistige Ziel der Erde gerettet wird.

Dr. Rudolf Steiner

Text ab Faksimlie, in Zeitgeschichtliche Betrachtungen, TB-Sonderausgabe, 3 Bde (Textidentisch mit GA 173 a-c), R. Steiner Verlag, 2011, Bd. III, S. 265. Der Eintrag ist gemäß Hg. vermutlich im Jahr 1917 entstanden. Unterstreichungen sind original von R. St.

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