AGORA MAI/JUNI 2018
FRONT GEGEN DEN THEISMUS
«Das spezifische Merkmal des Deutschseins ist die Eigenverantwortlichkeit des denkerischen Wahrheitswillens. Zwischen dieser Autonomie und dem heteronomischen Wahrheitsbegriff des Christen hat der mögliche Konflikt zu entbrennen, wenn in einem spirituell legitimen Sinne von dem Kampf zwischen Deutschtum und Christentum die Rede sein soll.» Sogleich nimmt Karl Ballmer Frontstellung gegen den Theismus und geht darauf über in medias res: «In Gedanken wie den folgenden kündigt Steiner der theistischen Weltanschauung den Kampf an …». Eine ungemein fruchtbare Besprechung der wichtigsten Eckpunkte aus Schriften Rudolf Steiners, wie u.a. dem «Egoismus in der Philosophie» folgt, das Aufmerksam-Machen auf den verborgenen Theismus qua Dualismus im deutschen Idealismus, sowie die Stellung, die Steiner zu den Entwicklungslehren von Darwin und Haeckel bezieht. Insgesamt kommt Ballmers «A-Theismus» der Zurechtrückung eines im Platonismus und theistischen Vorstellungen herumvagabundierenden Anthropospohieverständnisses und dessen Eingewöhnung in den Brennpunkt Monismus gleich.
„HIER IRRT RUDOLF STEINER“-? TEXTFÄLSCHER IM VISIER
Rüdiger Blankertz schildert in dieser Folge zu den Textfälschungen an Rudolf Steiners Werk, wie ein von Ballmer im veröffentlichten «Briefwechsel über die motorischen Nerven» behandelter anthroposphischer Arzt viele Jahre später, am Ende seines Lebens zeigt, wie er in seine Verantwortung für die Anthroposophie Rudolf Steiners getreten ist. Darüber wird das Ich-Problem eingeführt, an welchem die Herausgeberin des «Egoismus» Steiners offenbar gescheitert ist. Blankertz fährt fort, die unbewussten Motive aufzudecken, die bewirken, dass Rudolf Steiner missverstanden wird. Wie bereits in den vergangenen Folgen ist der Fehler der Herausgeberin der Druckausgabe GA 30 von 1989 bloss Anlass, sich der Problematik bewusst zu werden, die Vorgänge, die sonst unbewusst bleiben, zu verstehen. Vor allem auch zu erleben, wie fatal sich ein ein solcher Moment im Geistesleben auswirken kann: wenn der Sinn durch eine scheinbar kleine Unaufmerksamkeit gleich in sein Gegenteil verkehrt wird.
DER EGOISMUS IN DER PHILOSOPHIE
In der 6. Folge von Rudolf Steiners «Egoismus in der Philosophie» ist die Philosophie mit Fichte an einen Punkt gelangt, wo sie die Welt aus dem Ich heraus gebaut sein lässt. Das zeitigt auch Konsequenzen im Hinblick auf das Sittliche. Schiller und Kant stehen sich diesbezüglich antagonistisch gegenüber. Weiter werden der Beitrag Schellings und Hegels zur Egoismusfrage besprochen. Schliesslich wird Ludwig Feuerbach den noch dualistischen deutschen Idealismus in Richtung Monismus führen, jedoch noch ohne das Entscheidende gefunden zu haben. Aber er gibt der Egoismusfrage eine neue Wendung im Hinblick auf ihre baldige Lösung, von der wir in der letzten Folge das nächste Mal erfahren werden.
WIDERSTEHT NICHT DEM BÖSEN …
Repräsentative Geister sind dadurch repräsentativ, dass sie Fragen, die in der Menschheit leben, deutlich zum Bewusstsein und zum Ausdruck bringen. Das ist möglich, indem sie diese Fragen selber existentiell erleben, nach Antworten suchen, Antworten finden – oder auch gar nicht selten an ihrem Mut und ihrer Kühnheit scheitern. Tatiana Koshemchuk bringt die so individuellen wie existentiellen Auseinandersetzungen der grossen russischen Geister Tolstoj, Solowjow und Woloschin miteinander in ein Gespräch zur Frage nach dem Umgang mit dem Bösen und den Biographie gewordenen Konsequenzen davon. Ein zarter Ariadnefaden lässt dieses Gespräch immer tiefer – und uns Leser immer betroffener werden von dem Ringen um einen menschenwürdigen Umgang mit dem Bösen. Maximilian Woloschin, der «Jüngste» des Trios, steht am Ende des ersten Teils mit neuen Antworten gleichzeitig auch vor ganz neuen Herausforderungen. Seite 19
DIE WEGE KAINS GEHEN
«Die Wege Kains gehen» – das sieht Maximillian Woloschin als die Möglichkeit zur Menschwerdung in der heutigen Zeit. An der Hand seiner von Geistesmut zeugenden Zeilen gehend, erlebt sich der Leser innerlich aufgerufen, wenn nicht gar sich eigener Schritte zu erinnern, so doch wenigstens, die Erkenntnisdramatik auf dem Geistesweg zu erahnen. Die ersten Kapitel aus «Die Pfade Kains» ab Seite 19.
EIN ANTHROPOSOPHISCHES MEMENTO
Ein das Gewissen auf den Plan rufende Stelle aus einem Vortrag Rudolf Steiners bildet den Auftakt zu dem anthroposophischen Memento von Karen Swassjan. Wie weit werden wir heute der Forderung des Bewusstseinsseelenzeitalters gerecht? In eine wunderbar traurige, schwere Musik – vielleicht ein Stück von Brahms – scheint sich Gottes einstmaliges Brüten über den Wassern an dieser Frage zurückverwandelt zu haben. Bei den von Rudolf Steiner für Marie Steiner zu einem Spruch verdichten Worten : «Sterne sprachen einst zu Menschen, / Ihr Verstummen ist Weltenschicksal … / In der stummen Stille aber reift/ Was Menschen sprechen zu Sternen …» wird hier plötzlich zur Frage: und wo ist dieses Sprechen? Was ist gereift? – Und wir werden uns bewusst, wie gering unser anthroposophischer Gewichtsanteil noch ist gegenüber der Masse an nach und nach absterbendem, aber dafür immer nachhaltiger sich konservierendem Plunder einer alten Welt.
AUF DEM JAHRMARKT DER ICH-ABSTINENZ – ZU WALDORF 100
Ein kleines Filmchen zum 100-jährigen Jubiläum der Waldorfpädagogik, kurz «Waldorf 100» genannt, wurde als Werbespot für Waldorfpädagogik konzipiert. Johannes Kartje, selber Waldorflehrer, wurde der Film zum Anlass, den Grundkonflikt, in dem die Pädagogik Rudolf Steiners mit den Zeitphänomenen steht, ins Bewusstsein zu rücken. Der Autor baut eine Brücke von der Phrasenhaftigkeit der Zeit zu einer an der Quelle ergriffenen Waldorfpädagogik.
„ES HANDELT SICH UM INNERE, GEISTIGE TATEN …“
Wie stark auch sich mit Spiritualität befassende und nicht materialistisch eingestellte Menschen in ihren Wesenstiefen trotzdem Materialisten sind, und wie notwendig es ist, sich aus einem tiefliegenden, unbewusst konstitutionellen Materialismus zu befreien, davon ist in dem von Maria Dörig ausgewählten Auszug aus einem Vortrag von Rudolf Steiner die Rede. So führt etwa das Auseinanderfallen zwischen der traditionellen Unsterblichkeitsvorstellung – die nur einseitig nach dem Tode gelten gelassen wird und die Präexistenz und damit die wiederholten Erdenleben nicht mit einschliesst – und dem materialistischen Leben dazu, dass die Menschen im Unterbewusstsein die Sehnsucht entwickeln, mit dem physischen Tod unterzugehen. Dazu und zu weiteren Auswirkungen eines unbemerkten Materialismus ausführlicher auf
ORGANSPENDE – WIRKLICH EINE GUTE SACHE?
Durch die Unterschriftensammlung in der Schweiz, der Initiative für ein grundsätzliches Entnahmerecht von Organen bei hirntoten Menschen, ist die Diskussion über Pro und Contra, über Begriffe wie «Hirntod» und «Lazarus-Syndrom» wieder aufgeflammt. Gaston Pfister rückt in diesem Beitrag leeren Worten mit deutlichen, einprägsamen Vorstellungen zu Leibe und versucht die Problematik mit Hilfe der geisteswissenschaftlichen Menschenkunde einem mehr als bloss gefühlsmässigen oder bloss rationalen Urteil zuzuführen.
PPP-KUNST
Natascha Boudilina gibt einen kaleidoskopartigen Einblick in das moderne «Kunstschaffen», das mit drei P’s operiert: Provokation, Politik und Pornographie. Zwischen den Interpretationen zum Teil politisch ideologisierter, zum andern Teil einfach geschäftstüchtiger «Künstler» davon, was Kunst sei oder für eine Aufgabe habe, und der Kunst, die Ausdruck existentiellen Geisteslebens wäre (und nicht nur Zeuge von dessen Abwesenheit), liegen Welten. Anhand einiger Zitate wird etwas mehr als nur ein dumpfes Gefühl dafür bleiben, dass «die moderne Kunst einfach nichts für mich ist», und warum die Museen schlechter als nötig besucht bleiben.
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