Weltgeschehen unter der trüben, rissigen Glas(l)-Kugel
«Nur wenn wir die Differenzierung: Hie primär Geistiges – hie Politisches vollziehen, werden wir nicht nötig haben, unseren geistigen Impetus von vornherein zu – neutralisieren.»
Karl Ballmer
Rudolf Steiner im Jahr 1914: «Und wenn wir heute auf ein Land blicken, das unmittelbar an Deutschland angrenzt, und das nicht nur in äußerlicher Beziehung, sondern bis in das Innerste des menschheitlichen Verhaltens hinein es verstanden hat, neutral zu bleiben, wenn wir auf die Schweiz schauen, auf jene Schweiz, in welcher Fichte in Pestalozzi die Wurzeln zu seiner deutschen Nationalerziehung genommen hat, so dürfen wir sagen: Wir sehen an diesem Musterlande der Nationalitäten, dass es möglich ist, dass der Deutsche mit anderen Nationen durchaus zusammenzuleben versteht. Wer Schweizer Leben zu verfolgen vermag, der weiss, dass es den Bewohnern dieses Landes, wo in mustergültiger Weise drei Nationen zusammenleben, von der allergrößten Wichtigkeit ist, dass sie dem Geiste nach das, was für ihr Staatsgebiet das wahrhaft innerste Interesse ist, den Geist der Neutralität, aufrechterhalten können.»[1]
Was waren das für Zeiten, dass Steiner das von den Schweizern sagen konnte! Es gibt zwar heute noch Schweizer und Zugewanderte, die die Neutralität begrüßen, doch eine Horde anlehnungsbedürftiger Grossmaulpolitiker und -journalisten gehen massiv gegen sie und die Neutralität vor. So unterzeichnete jüngst die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd die «European Sky Shield Initiative», die gemeinsame Luftverteidigung mit der Nato, und stellte die Schweiz und das Parlament vor vollendete Tatsachen![2] Noch schwerwiegender verderblich agieren aber diejenigen, denen ein wesensgemäßes Wissen, dem Geiste nach, anvertraut wurde und die es dermassen verflachen und versimpeln, dass sie das positive Gefühl der Menschen zur Neutralität irre leiten, statt es bis zum innersten Interesse zu vertiefen, wie es nach dem obigen Motto Karl Ballmers möglich und notwendig wäre: indem die Trennung von Geistigem und Politischem vollkommen vollzogen würde. Klar, wir meinen die führenden Anthroposophen!
Gerald Häfner, der eine steile Karriere in der Politik hinter sich hat vom Gründungsmitglied der Grünen (Bündnis 90) über den Bundestag bis zum EU-Parlamentarier und nun die Sektion für Sozialwissenschaften als deren Leiter politisch infiltriert, und Friedrich Glasl, der politische Wissenschaften, Psychologie, Philosophie und Ökonomie studierte und Konflikt- und Friedensforscher ist – sie nehmen beide grossen Einfluss auf das Urteilen der Anthroposophen und sprechen für die Neutralität. Zunächst hört es sich ganz human an: Häfner: «Ich wünsche mir eine kraftvolle, neutrale Initiative. Ich würde mir die aus Europa wünschen, zum Beispiel von den neutralen Ländern. Wer für sich die Neutralität beansprucht, der könnte das doch auch als eine Verpflichtung verstehen, alles für den Verhandlungsfrieden zu tun.»[3] Gleich aber stellt sich heraus, dass es ein parteiischer Neutralitätsschwätzer ist, der im Handumdrehen völlig russophob argumentiert, ja spintisiert: «Die unmittelbare Verantwortung für diesen Krieg trägt Russland und seine Führung. […] Ein selbständiges Land anzugreifen, ein panrussisches Großreich mit militärischer Macht herbeizubomben, dem muss man sich mit aller Macht entgegenstellen.»[4] Mit aller Macht! – dieser (selbst)mörderischen Logik frönen auch die Westmächte: Weil weder Bomben, Antipersonenminen, Terrorakte[5] noch Panzer Russland besiegten, braucht es weitere Uranmunitioyyn, Langstreckenraketen und Kassettenbomben gegen die uneinsichtigen Russen. Selenskyjs Wunsch nach der Atombombe, die er schon im Februar 22 forderte, wäre wohl längst erfüllt, wenn es möglich wäre, die Kriegshandlung auf Europa zu beschränken.
Aus einem irren Bollwerk schwadroniert Häfner: «Ich finde es moralisch und politisch richtig, dem Überfallenen [der Ukraine, M.D.] beizustehen, notfalls auch mit Waffen. […] Aber: Waffen liefern und auf Verhandlungen drängen, schließt sich nicht aus. Im Gegenteil: Wer liefert, kommt mit in die Verantwortung, also liefern wir mit Bedingungen […], mit der Bedingung, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Und der russischen Seite sollte man erklären: Wir liefern der Ukraine Waffen, aber wir hören damit auf, wenn ihr zu Verhandlungsergebnissen kommt. Mit jedem Eskalationsschritt muss zugleich ein Verhandlungsangebot verbunden sein.»[6] Häfner weiß nicht, was für Kröten aus seinem Mund springen: Wenn ihr zu Verhandlungsergebnissen kommt, dann hören wir auf mit Waffenlieferungen; wir sorgen dafür, dass man euch mit allen Mitteln bekämpft und sind so human, Euch Friedensverhandlungen anzubieten; wir (somit Kriegspartei) treiben die Eskalation weiter, sodass täglich Menschen getötet und Krankenhäuser, Kindergärten und Einkaufsläden bombardiert werden, und die Russen sollen sich auf unsere Rechthaberei einlassen – als ob diese Kriegstreiber nicht schon seit Jahren mit verbrecherischer Absicht verhandelten: Merkel: «Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.»[7]
Häfner spielt ein überaus böses Spiel, ohne sich auch nur im Geringsten dafür zu sorgen, sich ein mehr oder weniger objektives Bild vom Geschehenen zu machen. Nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! Schwerwiegende Sachverhalte[8] blendet er aus. Massiv gewalttätige Kreise sprechen Russland die Existenz ab[9] und – Häfner plädiert für weitere Eskalation.
Auch Friedrich Glasl entzieht Russland die Legitimation! Auf die Frage des Gesinnungsgenossen Wolfgang Held: «Russlands Interessen wurden zu wenig berücksichtigt. Wenn das Land aber zur Gewalt greift, verliert es da nicht jede Legitimation?», antwortet Glasl: «Natürlich. Mit dem Angriff auf die Ukraine ist alles anders, und auch Russland hat ja Vertragsbruch begangen.»[10] So einfach macht er es sich, ohne Willen zum unvoreingenommenen Nachforschen! Er bräuchte dringend Nachhilfestunden in Gewissenhaftigkeit, z.B. bei Roger Köppel, der vorzeigt, wie man sich gewissenhaft informiert: Er reiste nach Moskau, prüfte die propagierten Urteile, revidierte sie und vertritt sie nun mutig in der Öffentlichkeit.[11]
Der Greta-Verehrer Glasl[12] gibt sich auch als Experte für Neutralität aus: Viele Länder «müssen fürchten, dass sie als unparteiliche, neutrale Seite nicht ernst genommen werden. So zum Beispiel Österreich. Es ist völkerrechtlich neutral, hat sich aber mit den Sanktionen der EU solidarisch erklärt. Das hat zur Folge, dass das Land bei Gesprächsversuchen abblitzt.»[13] Lautlos verschwunden ist, was Glasl noch im März 22 sagte[14]: «Ich habe es sehr begrüßt, und das widerspricht auch nicht der Neutralität, dass die Schweiz sich an den Wirtschaftssanktionen der EU beteiligt. Das habe ich in meiner Doktorarbeit (1967) untersucht. Ein neutraler Staat kann bei wirtschaftlichen Sanktionen mitmachen. Das unterliegt nicht dem Kriegsvölkerrecht.»[15] – Dieses «Argument» könnte von einem berechnenden Politiker oder Anwalt, nicht aber von einem wirklichkeitsgemässen Wissenschaftler sein!
Hat Glasl trotz seiner Gesetzesterrorismus begünstigenden Promotion sich einmal die Mühe gemacht, zu forschen, welche Völkerverelendung und Hungertote es durch Sanktionen gab und gibt?[16] Oder hat sich Glasl ein Wissen verschafft, wer all die Konflikte und Kriege der Neuzeit schürte, mit welcher Taktik die Drahtzieher vorgehen und Terroristen und Putschisten, aber auch Brave, Dumme und Fügsame … für ihre Ziele benutzen? Wie kann man 56 Jahre lang unhinterfragt die wirtschaftliche Kriegsführung rechtfertigen und den Kriegstreibern Argumente zur Vertuschung zuspielen! Dem entsprechend nehammert es aus Österreich: «Ich habe Präsident Putin auch in aller Deutlichkeit gesagt, dass die Sanktionen gegen Russland aufrecht bleiben und weiter verschärft werden, solange Menschen in der Ukraine sterben.»[17] Der österreichische Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka heult im Schafpelz, dass sein Land zwar militärisch neutral sei, aber nicht politisch, und sicherte der Ukraine weitere finanzielle und humanitäre Hilfe zu.[18] Geld zum Waffenkauf und humanitäre Hilfe für eine korrupte Regierung, serviert mit dem Nonsens von militärischer, aber nicht politischer Neutralität! Auch für die sanktionierende Schweiz kopiert Bundesrat Ignazio Cassis promovierte Rotznasen: «Als dauerhaft neutraler Staat kommt die Schweiz ihren neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen uneingeschränkt nach. Sie begünstigt keine Kriegspartei militärisch.»[19]
Mit Bücklingen vor der Propaganda der Kriegstreiber sabotieren Häfner und Glasl Steiners wegweisende zeitgeschichtlichen Betrachtungen und seine Dreigliederung. Nun schlägt die Wirklichkeit die militanten Friedenswünsche der beiden höhnend ab. Die schwelende Gefahr, die der Menschheit droht, verorten sie, konform der medialen Suggestion, bei Putin. Diese bequemen, feigen Kleinbürger wurmt klägliche Angst vor der Selbständigkeit des Erkennens, das den Sinn der Neutralität, der nicht nur für die Schweiz, sondern für die Welt existenziell ist, klären kann. Häfner und Glasl fördern, dass neutrale Staaten sanktionierende Gewalt anwenden, und sie bestärken die Politik in ihrer Besessenheit von Macht über die Wirtschaft (Sanktionen). Sie hintertreiben die Einsicht in das Wesen der Neutralität, die impliziert, dass das Politische sich selber einschränkt! Es sind Politiker, die Kriege entfesseln, und die die staatliche Verfügungsgewalt in unberechtigte Bereiche: die Wirtschaft und das Geistesleben (u.a. Abbruch kultureller Beziehungen) metastasieren. Die Aufgabe, das zu kontrollieren, liegt im Geistesleben. Etwa bei Konflikt- und Friedensforschern und zuvorderst von der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum zu Dornach. Stattdessen verwischen sie die notwendige Kenntnis, dass eine neutrale Politik eines Landes unentbehrlicher Schutzfaktor ist, für den Staat selber, der weder Krieg führt noch Kriegsbündnisse eingeht, und für das freie Geistesleben, das heisst für den geistigen Kampf um wahre, erkenntnisbildende Urteile, den jede einzelne Individualität zu führen und zu bestehen hat. Gedankenlos machen Häfner und Glasl aus einem Problem der geistigen Existenz ein politisch gefärbtes und äffen die irreführenden Denkgeleise der politischen Allerweltsphraseologie nach. (Siehe Auszüge von Karl Ballmer). Sie streuen geistige Antipersönlichkeitsminen, die noch verheerender wirken als die Antipersonenminen.
Die Auswirkung der verschandelten, in die Bedeutungslosigkeit getriebenen Anthroposophie, d.h. die Nicht-Existenz ihrer Einsichten im intellektuellen Leben der Gegenwart, kann z.B. an den Aussagen von Oberst Dominik Knill, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft, veranschaulicht werden. Ein Oberst, der gar nicht bärbockig kriegsversessen ist, schrieb im Februar 2023:
«Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine herrscht in Westeuropa Bestürzung und Ratlosigkeit. Er hinterlässt Elend, Zerstörung, unsägliches Leid auf beiden Seiten und eine traumatisierte Gesellschaft – über Generationen hinweg. [Der Oberst scheint mehr Respekt vor der Realität des Krieges zu haben als der grüne Funktionär in Dornach. M.D.] Die Bevölkerung ist verunsichert und hat Angst. Der Krieg ist ein Chamäleon, sagt Clausewitz. Die meisten Kriege entwickeln eine Eigendynamik. Dies verleitet viele Sicherheits- und Militärexperten zu kühnen Aussagen und Prognosen – oft mit kurzer Halbwertszeit. Nur weil Expertise vorhanden ist, heißt das nicht, dass auch präzise und zutreffende Lageanalysen entstehen. Oft wissen wir es einfach nicht besser. Wir haben den enormen Widerstandswillen der Ukrainerinnen und Ukrainer unterschätzt, ihre Fähigkeit, dem übermächtigen Aggressor die Stirn zu bieten. Sie verdienen unseren höchsten Respekt. Wir wünschen den Ukrainern den Sieg, aber das allein macht ihn nicht wahrscheinlicher. […] Die Eskalation schreitet weiter fort, und wer bremst sie? [! M.D.] Die NATO war nicht in der Lage, diesen Krieg zu verhindern, und sie wird ihn auch nicht beenden können. […] [Eine Ungereimtheit! Wie kann die NATO einen Krieg verhindern und ihn beenden, den sie selber führt? – M.D.] Es muss frustrierend sein, am Spielfeldrand mit grösster Sorge zuzuschauen – ohne Schiedsrichter und mit ungleich grossen Fussballtoren.»[20]
Oberst Knill hat leider Glasl gelesen statt Steiner. Ihm fehlt eine saubere Orientierung: «Oft wissen wir es einfach nicht besser.» Weiter:
«Die Kristallkugel, aus der einige westliche Militär- und Sicherheitsexperten lesen, ist nicht nur trübe, sie hat bereits Risse. Anstatt eine dünnhäutige Bevölkerung zu beruhigen und ihr einen Ausweg aus dieser sich immer schneller drehenden Krise aufzuzeigen, werden laufend neue Eskalationsszenarien beschrieben. Diese gehen nur in eine Richtung. Friedrich Glasl hat in seinem Eskalationsmodell neun Stufen beschrieben. In den letzten zwei Stufen geht es nicht mehr um den eigentlichen Konflikt, sondern nur noch um die Zerstörung des Gegners resp. gegenseitige Zerstörung. […] Oft fehlt es nicht an Vermittlern, sondern an Mächten, die die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch bringen können. Ein in sich gelähmter UNO-Sicherheitsrat, eine im Abseits stehende OSZE und eine wohlwollende Schweizer Diplomatie werden dabei Zaungäste bleiben.»[21]
Beim verkommenen, sich an der Politik statt an der Erkenntnis orientierenden Geistesleben trüber und (hirn)rissiger Glas(l)kugeln verwundert es nicht, dass der Militärchef Dominik Knill nicht für die konsequente Neutralität einsteht und sich auch nicht als Persönlichkeit ein Rüstzeug zur geistigen Landesverteidigung erarbeitet hat. Das wäre doch etwas ernsthaft Schweizerisches, wenn Oberst Knill die Dreigliederung erarbeitet und sich im Namen des Staates für die strikte politische Neutralität eingesetzt, zugleich aber auch im Namen seiner Individualität für eine rechtschaffene, verantwortungsfähige Schweizer Selbstbehauptung gegenüber einer in Lüge und Chaos verkommenden Welt geistig gekämpft und sich scharf gegen die Schufte und Agenten des Untermenschentums geäussert hätte! Dann würde er immer die klare Differenzierung kundgeben und sich ausbedingen: Ich als Politiker stehe für die absolute Neutralität der Schweiz ein; zugleich nehme ich mir als Individualität die Freiheit, unmissverständlich die skrupellosen Missbraucher des Menschen und des Menschlichen zu entlarven.
Doch leider bleibt auch Knill in den westlichen Demokratie- und Werte-Verwirrspielen stecken und zieht einen Schluss gemäss Mario Draghi: «Wir wollen alle Frieden, aber die Ukraine muss den Frieden wählen, den sie will und der für ihr Volk akzeptabel ist. Nur dann kann es ein dauerhafter Frieden sein.»[22]
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Häfner und Glasl verfälschen und zerstören durch ihren verantwortungslos beschränkten Wissensstand und ihre Förderung von Lügereien die menschliche Zukunft, die durch die Zusammenarbeit von deutschem Geist und russischer Seele erkämpft werden muss. Es droht, dass die ursprüngliche, junge russische Seelensubstanz, wenn sie sich nicht mit dem Goetheanismus, dem geistig-physischen Erkennen vereinigen kann, ein materialistisch-ideologisches und damit ein zerstörerisches Irrlicht wird – so wie der deutsche Geisteskeim in den denkunfähigen Leuten.
Stefan Zweig, der ein durchlebtes Wissen einer notwendigen Arbeit fruchtbar bewahrt, zeigt uns die Tiefe und Schwere der Aufgabe:
«Denn gewiss ist dies Sinn und Sendung des letzten russischen Jahrhunderts gewesen, mit einer heiligen Unruhe und rücksichtslosem Leidensdrang alle moralischen Tiefen aufzuwühlen, alle sozialen Probleme anzugraben und zu entblössen bis an ihre Wurzeln, und unendlich beugt sich unsere Ehrfurcht vor der kollektiven Geistesleistung seiner genialen Künstler. Wenn wir manches tiefer durchfühlen, wenn wir vieles entschlossener erkennen, wenn die Probleme der Zeit und die ewigen des Menschen uns ansehen mit strengerem, tragischerem und unbarmherzigerem Blick als vordem, so danken wir dies Russland und der russischen Literatur, ihr auch alle die schöpferische Unruhe zum Neuwahren über die alte Wahrheit hinaus. Alles russische Denken ist Gärung des Geistes, dehnende, aufsprengende Macht, aber nicht Klärung des Geistes wie jenes Spinozas, Montaignes und einiger Deutscher; es hilft herrlich mit an der seelischen Ausweitung der Welt, und kein Künstler der Neuzeit hat uns derart die Seele umgepflügt und aufgewühlt wie Tolstoi und Dostojewski. Aber eine Ordnung, eine neue, haben sie beide uns nicht schaffen helfen.» [23]
Vergessen wir nie: «Der Krieg wird deshalb solange in irgendeiner Form dauern, bis Deutschtum und Slaventum sich zu dem gemeinsamen Ziele der Menschen-Befreiung vom Joche des Westens zusammengefunden haben.»[24]
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Auszüge von Karl Ballmer:
«Geistige Landesverteidigung»?
Man meint offenbar etwas Präzises, aber mit der militärischen Redensart von der «geistigen Landesverteidigung» trifft man das Gemeinte weniger als dass man es geradezu verbirgt. […] Von dem Gemeinten aber muss man befürchten, dass es anstössig und inopportun sein könnte, wenn man öffentlich davon spricht und schreibt. Nennen wir das Gemeinte kurz und knapp beim rechten Namen: Es ist die in Freiheit ergriffene sittliche Verpflichtung, Lüge nicht Wahrheit, Unredlichkeit nicht Redlichkeit, Unrecht nicht Recht zu nennen. […] Denn ein Berühren der heiklen Fragen könnte ja das Risiko enthalten, dass wir für das Urteil der Umwelt mit dem schweizerischen Staatsprinzip der Neutralität in Konflikt geraten. […] Vor etwas Problematisches, nämlich vor das unbefangene Sprechen über Wahrheit, Redlichkeit, Recht, rückt man zur Sicherung etwas völlig Unproblematisches, Berechtigtes, von aller Welt anerkanntes: eben unser von aller Welt anerkanntes Recht auf staatliche Verteidigung. Aus einem verständlichen Sicherungsbedürfnis rückt man eine rein geistige Aufgabe in die Deckung einer risikolosen politischen Stellung. Was tut man aber damit? Man degradiert und deklassiert ein zuallererst sittlich-geistiges Problem, indem man es im vornhinein in «politischer» Färbung gewahr wird. […] Die Frage der sittlichen Menschenwürde jedes Einzelnen, als die Erz- und Grundfrage geistiger Existenz, ist aus nichts Anderem ableitbar, darf sich hinter nichts Anderem verkriechen und decken wollen und hat ihre selbständige Eigenbedeutung neben den Fragen, die den Staatsbürger als solchen angehen, der sich nach den politischen Zweckmässigkeiten des Staates auszurichten hat.
Ein Spitteler, ein Böcklin oder Conrad Ferdinand Meyer sind nicht deswegen grosse Schweizer, weil sie gute Staatsbürger waren, sie haben ihr Wesen vielmehr kraft ihrer geistigen Existenz. Geistiges Existieren ist eine sittlich produktive Haltung von Einzelnen und deckt sich nicht mit der Summe von Pflichten und Rechten, durch die das Wesen des Staatsbürgers bestimmt ist. Das Innewerden unserer geistigen Existenz – als Schweizer –, unsere geistige Selbstbewusstwerdung, unsere Selbstbehauptung gegenüber einer in Lüge und Chaos verkommenden Welt, steht im Range höher als die Rechte und Pflichten des Staatsbürger-seins.
Derartige Überlegungen sind heute nützlich, sie helfen uns, landläufigen schiefen Vorstellungen und Denkgewohnheiten nicht zum Opfer zu fallen. Vergessen wir beim Gebrauch des Bildes von der «geistigen Landesverteidigung», das uns an potentielle äussere Feinde denken lässt, nicht den Feind in uns selbst, der in unseren unkontrollierten Denkgewohnheiten droht. Mit ihm rechnet bewusst die raffinierte Kunst einer auf uns loszulassenden Propaganda. Es ist das Vorrecht des üblen Handwerks einer gewissen Propaganda, die lahmen und schiefen Vorstellungen der zu Bearbeitenden als Einfallsbrücke zu benutzen. Es ist nicht der ungefährlichste Feind, der in unseren Köpfen sitzt. Er manifestiert sich z.B. in unserer bequemen Bereitschaft, dem Schlagwortzauber der Zeit zu verfallen, er zeigt sich in unserer passiven Bereitschaft, uns die Fragestellungen geben zu lassen, anstatt dass wir sie aktiv selbst produzieren. Man kann aus bester geistiger Absicht und Gesinnung auf eine Frage der «geistigen Landesverteidigung» stossen und man kann sogleich einfach damit die Lösung der Frage vereiteln, weil man sich in den Denkgeleisen einer politischen Allerweltsphraseologie bewegt. […]
Der Satz «Die Demokratie [in unserem Kontext zu lesen: die Neutralität, M.D.] darf nicht länger stumm und zaghaft bleiben …» ist ein Schulbeispiel dafür, wie man durch Gedankenlosigkeit in die Gefahr gerät, aus einem Problem der geistigen Existenz ein politisch gefärbtes Problem zu machen. Die Gefahr wirkt sich aber in der Richtung aus, dass wir im politischen Bereich gerade das nicht unbefangen vertreten können, worauf es ankäme. Im Bereiche des Politischen sind wir ja doch nicht eigentlich «frei», stellen wir ja doch unser Tun unter die Bedingungen unseres eindeutigen Willens zur staatlichen Neutralität. Nur wenn wir die Differenzierung: Hie primär Geistiges – hie Politisches vollziehen, werden wir nicht nötig haben, unseren geistigen Impetus von vornherein zu – neutralisieren. […]
Für die sog. autoritären Staaten ist die Propaganda als politisches Machtinstrument von ähnlicher Bedeutung wie die Armeen. Skrupelloser Missbrauch des Menschen und des Menschlichen zu fragwürdigen politischen Zwecken ist ihr Kennzeichen. Unsere Abwehr gegen die fremde Propaganda ist dann am wirksamsten, wenn wir sie nicht politisch bedingt sein lassen. Das ist eine fundamentale Einsicht, die wir uns erst noch erwerben müssen. Wir haben nicht nötig, die Insinuationen eines Herrn Pareto[25] etwa im Namen der Demokratie zurückzuweisen oder im Namen einer aus unserer Staatsauffassung entspringenden «Weltanschauung», wir verwahren uns schlicht gegen die Beschmutzung und Beschimpfung des Menschen. Bei solcher Haltung ist eine Verletzung unserer Pflichten als Bürger eines neutralen Staates nicht möglich. Unsere Abwehr geschieht nicht im Namen des Staates, sie geschieht aus Verantwortlichkeiten, die wir selbst kreieren. Die Abwehr aller «autoritären» Propaganda aus dem Geiste der Paretos ist, weil diese stets mit dem Menschen und seinen Idealen Missbrauch treibt, keine Frage der politischen Zweckmässigkeit, sondern prinzipiell und immer geistige Entscheidung. Das klare Bewusstsein solcher Differenzierung gibt uns die Freiheit und Unbefangenheit, die sämtlichen Paretos Schufte und Agenten des Untermenschentums zu nennen, ohne besorgen zu müssen, schlechtere Staatsbürger zu sein als meinetwegen Herr Motta. […]
Der Staat lasse überall dort die Hände aus dem Spiel, wo aus der allgemeinverantwortlichen Initiative von Einzelnen oder von Gruppen etwas Wertvolles entstehen könnte. […] Warum sollten wir Fragen der Kultur, also unserer geistigen Existenz, ausgerechnet einem staatlichen Amt überantworten, dessen Hauptsorge doch nicht unsere geistige Existenz, sondern eher das Wachen über die Pflichten und Rechte der politischen Neutralität sein müsste. […]
Uns will scheinen, dass der Enthusiasmus, den wir gerade aus der Kenntnis unserer Geschichte gewinnen, sich heute in der Richtung auswirken sollte, dass der Freiheitswille unserer Vorfahren in uns hineinfährt und uns anspornt, frei zu werden von jenen bequemen und unkontrollierten Denkgewohnheiten, die für eine feindliche Propaganda das Einfallstor in unsere Herzen und Köpfe sind. Wir müssen resolut erst uns selbst und unsere eigenste Wirklichkeit erkennen, bevor wir unsere geistigen Feinde zu erkennen vermögen. Die Erkenntnis unserer Feinde hängt von unserer Selbsterkenntnis ab.[26]
[1] 1914, GA 64, Seite: 78.
[2] https://weltwoche.ch/daily/amherds-krieg-der-sterne-schweizer-verteidigungsministerin-unterzeichnet-gemeinsame-luftverteidigung-mit-der-nato-das-bringt-uns-ins-teufels-kueche/
Bei der Debatte um das Kriegsmaterialgesetz lieferte bluewin-news am 12.5.23 gleich neuste Post-truth-facts mit: «Ein von SP, Mitte, GLP [Grünliberale Partei M.D.], und FDP in Auftrag gegebenes Gutachten kommt ebenfalls zum Schluss, dass das Neutralitätsrecht nach dem Haager Abkommen von 1907 nicht mehr gelte. Und selbst wenn das Neutralitätsrecht von damals noch gelten würde, wäre die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial dennoch möglich.» https://www.bluewin.ch/de/news/schweiz/schweizer-waffen-koennten-doch-noch-in-die-ukraine-kommen-1737167.html
[3] Das Goetheanum, Ausgabe 9, März 23.
[4] Das Goetheanum, Ausgabe 14-15, 7. April 23.
[5] https://weltwoche.ch/daily/der-ukrainische-geheimdienst-hat-einige-russische-zivilisten-ermordet-das-sagt-dessen-leiter-und-kuendigt-weitere-aktionen-an-der-westen-der-das-finanziert-schweigt/
[6] Interview von Wolfgang Held, Chefredaktor von `Das Goetheanum`, Ausgabe 9, März 23.
[7] https://apolut.net/minsk-ii-als-finte-von-bernd-murawski/ oder https://de.rt.com/meinung/165718-angela-merkels-politisches-vermaechtnis/ (unten)
Auch der ehemalige französische Präsident Hollande verhandelte mit denselben Absichten: https://apolut.net/das-minsker-abkommen-sollte-es-kiew-ermoeglichen-zeit-zu-gewinnen-von-thomas-roeper/
[8] Ein Beispiel: «Auf seiner Facebook-Seite, in einem Post vom 2. April, nennt Danilow, Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates, zwölf Schritte eines Deokuppations-Prozesses, mit dem die dort [auf der Krim, M.D.] lebende Bevölkerung ‹entgiftet› werden soll, Verräter und ‹Propagandisten› strafrechtlich belangt, und Menschen, die nach 2014 auf die Krim gezogen sind, ausgewiesen werden sollen. […] Insbesondere, so Danilow, müssten die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden das Verhalten von Beamten, Richtern, Staatsanwälten, Strafverfolgungsbeamten und anderen Personengruppen beobachten, die nach Februar 2014 für die russischen Besatzungsstrukturen gearbeitet haben. Auch Personen aus diesem Kreis, denen kein Strafverfahren drohe, müsste auf jeden Fall die staatliche Rente entzogen werden.» https://taz.de/12-Punkte-Plan-zur-Krim/!5923141/.
[9] Olexi Danilow, Sekretär des ukrainischen Verteidigungsrates: «Der wahre Sieg der Ukraine ist ein Zerfall russlands (Kleinschreibung im Original, Anm. d. Red.), sein Verschwinden als kohärentes Subjekt der Geschichte und Politik.» https://taz.de/12-Punkte-Plan-zur-Krim/!5923141/.
Oder Baerbock zum Sanktionspaket: «Das wird Russland ruinieren». https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-baerbock-ueber-sanktionen-das-wird-russland-ruinieren-RZDYS2DEPRK5OST7ZGGRZ6UN4I.html.
[10] Das Goetheanum, Ausgabe 8, 24. Feb. 23. Interview mit Friedrich Glasl: «Windows of Opportunity»
[11] Roger Köppel, Chefredaktor der Schweizer «Weltwoche»: https://weltwoche.ch/daily/daily-spezial-aus-moskau-der-schweizer-unternehmer-und-anwalt-dr-karl-eckstein-ueber-seine-40-jahre-in-russland-praesident-putin-und-die-nur-noch-laecherliche-berichterstattung-unserer/
[12] Glasl in der Goetheanum Wochenschrift (Anm. 10): «Da sind Engel in unseren Seelen am Werk, um uns die Ideen und Ideale des Friedens einzugeben. Und ich denke, es wird unvermeidlich sein, dass mehr und mehr Menschen mutig in sich hineinhören und sich von dieser Stimme leiten lassen, wie Greta Thunberg und viele andere.»
[13] Ebenda.
[14] Das Goetheanum, Ausgabe 10, 11. März 2022.
[15] Unter dem Kriegsvölkerrecht (!) erlauben UNO-Sanktionen «wirtschaftliche und politische Zwangsmaßnahmen gegen einen Staat, um diesen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Diese Maßnahmen reichen vom Abbruch kultureller Beziehungen bis zu Lieferverboten für bestimmte Güter (Embargo, Boykott) und dem vollständigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20913/uno-sanktionen/ Hervorhebung M.D.
[16] Sanktionen, die nun Europa massiv verarmen, sind ein Element des anglo-amerikanischen Imperialismus. Die vorangehende seelisch-geistige Vernichtung, sprich Verblödung, ist so gelungen, dass auch Anthroposophen für diese Selbstaufhebung plädieren. Steiner: «Man strebt an, dass einmal auf der Erde werde gesagt werden können: Vor Jahrhunderten hat es eine sagenhafte Menschheit inmitten von Europa gegeben; es ist gelungen, sie auszurotten.» GA 180, S. 110.
[17] Karl Nehammer, österreichischer Bundeskanzler, https://orf.at/stories/3259153/.
[18] https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk0363. 30. 3. 2023.
[19] https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/aktuell/newsuebersicht/2022/02/ukraine.html, 24. 2. 23. Russland lehnt die Schweiz für Vermittlungen ab, da sie wegen der Übernahme der Sanktionen nicht mehr als neutrales Land wahrgenommen wird.
Im Duktus unserer «Friedensstifter» sirupte Cassis bei der Friedensdemo in Bern am 19. März 22: «Lieber Präsident [Selenskj M.D.], du siehst Menschen, die tief beeindruckt sind, beeindruckt vom Mut, mit dem dein Volk für Demokratie, für Freiheit und für Frieden kämpft. Und vor allem, lieber Wolodimir, wir sind beeindruckt, wie ihr Grundwerte der freien Welt verteidigt, die auch unsere Grundwerte sind.» So die US-Marionette im Tarnkleid «Schweizer Bundesrat»! https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/cassis-zu-selenski-beeindruckt-wie-dein-volk-fuer-freiheit-kaempft?urn=urn:srf:video:6f2b26ea-1900-4a7d-b832-85c960ea25e9.
[20] https://www.sog.ch/de/aktuelles/detail/die-sog-fordert-einen-ueberbrueckungsfonds Feb. 23. Abgerufen Anfangs Juni 2023.
[21] Ebenda.
[22] https://sog.ch/2022/10/alle-wollen-wir-frieden-aber-welchen/#more-7830, 31. 10. 22. Abgerufen im Mai 23. Leider nicht mehr online.
[23] Stefan Zweig, 1881 – 1942. Baumeister der Welt. Zu Tolstoi, Kapitel: Die Lehre und ihr Widersinn.
[24] Notizbucheintrag Rudolf Steiners, vermutlich aus dem Jahr 1918, als Faksimile abgedruckt in GA 173c (Taschenbuchausgabe “Zeitgeschichtliche Betrachtungen” im Schober). Der ganze Eintrag s. auch AGORA 5-2022 (Russophobie), S.3.
[25] Ballmer: «Der früher in Lausanne tätige Philosoph Wilfredo Pareto, der an der Ausarbeitung des faschistischen Lehrgebäudes einen grossen Anteil hat, hat einmal geschrieben: „Die Menschen erstreben im allgemeinen die Freiheit und verabscheuen den Zwang. Die Freiheit verbindet sich im Bewusstsein der Menschen mit angenehmen Vorstellungen, der Zwang mit unangenehmen. Wenn man also den Menschen den Zwang schmackhaft machen will, so muss man ihn zweckmässigerweise auf den Namen Freiheit umtaufen.“» (Dieser Hinweis beleuchtet das Wesen heutiger Faschisten, die sich als Antifaschisten, Liberale, Friedensschwätzer, Journalisten und weiss der Teufel als was kaschieren. M.D.)
[26] «Geistige Landesverteidigung»? Verlag Fornasella, CH-6863 Besazio.